Fotokrimi

Bildbeschreibung der Fotoserie „Feminin/Maskulin“ von Lisa Jacob.

Wenn Fotografie einem Krimi gleicht

Ein seltsam anmutendes Bein mit Muskeln an der falschen Stelle. Eine Armbeuge, oder ist es ein gestreckter Bauch? Der Blick des Betrachters wandert von Foto zu Foto. Faltige Haut umhüllt ein Körperteil von der einen Seite. Auf der anderen Seite ist die Haut glatt. Was kann das sein? Die Gebilde auf Lisa Jacobs Fotos erinnern zwar an menschliche Körperteile und wirken doch so fremd. Ein Rücken ist erahnbar. Der Po im Anschnitt. Doch irgendetwas stimmt hier nicht. Der Körper ist seltsam gedreht und die feine Behaarung am Bauch ungewohnt. Der Übergang zur Hüfte wirkt seltsam rau und faltig.

 

Der Titel der Serie „Femmask“ verrät, dass die Körperteile sowohl weiblicher als auch männlicher Natur sind. Doch an welchen Merkmalen kann sich der Betrachter orientieren? Weiche Rundungen erinnern an den Körper einer Frau. Straffes Gewebe im gleichen Bild an den eines Mannes. Eine Zuordnung scheint unmöglich.

Sind es Details eines Aktes? Aufgenommen vor schwarzem Hintergrund? Zwei Lichtquellen links und rechts scheinen die Haut zu beleuchten. Formen werfen Schatten. Die Bilder sind so scharf, dass einzelne Haare erkennbar sind. Man hat das Gefühl, die Unebenheiten der Haut zu spüren. Und dennoch: Diese Körperteile gibt es nicht. Was zeigen die Bilder dann? Handelt es sich um einen Fake?

 

Ein Gespräch mit der Fotografin, Lisa Jacob, bringt Licht ins Dunkel.

„Mich hat die Aktfotografie von Andreas Bitesnich inspiriert“, erklärt sie, in einem Buch mit dem Titel „Polanudes“ blätternd. Sie hält inne. Eine blonde Frau blickt ihr überrascht entgegen, der Kamera seitlich zugewandt. Die rechte Hand hält sie vor ihre Brust. Ihre linke lenkt den Blick abwärts, entlang ihrer langen, glänzenden Beine, die in schwarzen Pumps mit spitzen Absätzen münden. Sie blättert weiter. Ein Piercing blitzt zwischen weiblichen Schamlippen hervor. Wieder stoppt sie. Ein liegender Mann räkelt sich. Die angespannte Muskelpartie  nes stoppt sie. r.opf verschwindet im schwarzen HIntergrund. schwarzen Pumps mit spitzen Absätzen münden.wird beleuchtet. Sein Kopf ist in den Nacken gelegt. Das Gesicht verschwindet im schwarzen Hintergrund. Frauen und Männer, inszeniert zu kunstvollen Statuen. Glänzende Körper auf Polaroids. Geschlechtsteile versteckt, sichtbar und als Nahaufnahme. Die Fotos zeigen ähnlich starke Kontraste wie ihre eigenen. Beide Fotografen beschäftigen sich mit Körperlichkeit. Die Anmutung ihrer Bilder ist jedoch unterschiedlich.

Inwiefern gaben Lisa Jacob diese Arbeiten Anregung fürs eigene Schaffen?

„Irgendwann hat es Klick in meinem Kopf gemacht. Und ich habe ein Bild nicht mehr im Ganzen gesehen.“ Sie verdeckt ein Foto, bis nur noch ein winziger Ausschnitt zu sehen ist. „Ich war fasziniert von einzelnen Details, von Formen und Negativformen, die sich durch die Konzentration auf einen Bildausschnitt ergeben.“

Lisa Jacob fotografiert ihren eigenen Körper und den ihres Partners. Körperteile im Anschnitt. Mit einer Mittelformatkamera erzielt sie die Schärfe, die notwendig ist, um die Beschaffenheit der Hautstruktur wiederzugeben. Primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale spielen keine Rolle. Bei der Betrachtung des Titels, „Femmask“, ein Statement für sich.

„Mich reizt die Sinnlichkeit einer Fußsohle“, erklärt Lisa Jacob. „Der Körper hat so viel mehr Reizvolles zu bieten als Brüste, Po oder Genitalien. Dies gilt es, zu entdecken.“

 

Aus der Betrachtung des menschlichen Körpers in seinen Details entwickelt sich eine Versuchsreihe. Lisa Jacob beschäftigt sich mit den Fragen: Was passiert, wenn Körperteile miteinander kombiniert werden? Welche Details wirken wie miteinander? Das Fotomaterial wird zum Ausgangspunkt einer experimentellen Körperstudie. Körperteile werden auf dem Bildschirm hin und her geschoben oder übereinander gelegt. Oben und unten spielen keine Rolle mehr. Ausschnitte von Armen und Beinen werden gedreht, gespiegelt, transformiert. Die Natur als Ausgangspunkt für die Gestaltung einer neuen Körperwelt:

Ein Frauenfuß kombiniert mit einem männlichen Bauch. Ein weiblicher Rücken verbunden mit dem Handrücken der Frau zu einem neuen Gebilde.

Die Regeln für die Schöpfung dieser verwirrenden, weil ungewohnten Wirklichkeit bestimmt Lisa Jacob selber. Links und rechts verschmelzen zwei unterschiedliche Aufnahmen miteinander. Sie gebraucht weibliche und männliche Körperteile gleichermaßen als Gestaltungselemente und entscheidet nach ästhetischen Gesichtspunkten, welche Symbiose stattfindet.

„Nicht alle Körperteile sind harmonisch aufeinander abgestimmt. Die Kombination eines Fingers mit einem viel größeren Körperteil wie einer Wade sieht unwirklich aus.“

Durch das Drehen und Spiegeln der Fotos entsteht eine künstliche Lichtzange, die den Eindruck erweckt, dass alle Bilder in der gleichen Beleuchtungssituation aufgenommen wurden. Die Fotomontage offenbart sich an keiner Stelle. Ein Fake im Deckmantel der Aktfotografie.

Warum diese Verwirrung? Lisa Jacob lacht. „Ich mag keine offensichtliche Fotografie. Für mich ist ein Bild erst dann spannend, wenn es einem guten Krimi gleicht.“


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